Eigentlich waren es ja zwei Chöre, die da gemeinsam auftraten: der Chor der Bundeshandelskademie (BHAK)  und der Bundeshandelsschule (BHAS) und die Kremser Singgemeinschaft (KSG), beide unter der Leitung von Prof. Hellmut Raschbacher.

Denn als Dkfm. Mag. Hellmut Raschbacher nach seinem Blitzstudium der Wirtschaftswissenschaften an der damaligen Hochschule für Welthandel als einundzwanzigjähriger  Lehrer der Kaufmännischen Fächer im Jahre 1956  an die Schule kam, hatte er einen festen Plan. Er hatte die schmeichelhafte Einladung seines Professors abgelehnt, doch eine Karriere an der Hochschule zu beginnen. Er wollte seinen Traum erfüllen und mit der Aufführung von musikalischen Schätzen Menschen Freude bereiten und zugleich Werke dem Vergessenwerden entreißen.

Zuerst kam es 1963 zur Gründung des Schulchors, mit dem Dkfm. Raschbacher regelmäßig in einer 6. Stunde übte. Es war nicht immer leicht mit den Schülerproben! Denn auch damals gab es MAFs, Tests und Schularbeiten. Aber die musikalische Umrahmung von Schulfeiern und die erfolgreiche Teilnahme an Gesangswettbewerben und die Mitgestaltung von Gottesdiensten in Imbach auf Einladung von Pfarrer Narzt überzeugten selbst die größten Skeptiker. Dann kam der nächste Schritt, die Gründung der Kremser Singgemeinschaft (KSG). Der damalige Direktor, HR Mag. Walter Friedrich, war gerne bereit, dieses Projekt nach Kräften zu unterstützen. Es wurde eine Klasse samt Klavier für die wöchentlichen Proben und ein Notenkasten zur Verfügung gestellt und HR Friedrich übernahm die Obmannstelle, und das für 10 Jahre.

Und wenn man sich die Liste der Sänger und Sängerinnen der KSG anschaut, so liest sie sich fast so wie die Anwesenheitsliste einer Maturafeier (also Lehrer und Schüler), nur dass bei letzterer auch Teilnehmer sein können, die sich vielleicht nicht als so ganz gesangsaffin betrachten konnten. Dazu kamen Freunde und Ehepartner, insgesamt eine stattliche Zahl.

Der Chorleiter schenkte unendlich viel Energie und Einsatz diesem seinem Herzensprojekt. Das zeigte sich in seiner persönlichen musikalischen Aus- und Weiterbildung, der sorgfältigen und konsequenten Probenarbeit, in seinem persönlichen wertschätzenden Umgang mit den Chormitgliedern, seinen Kontakten zu Instrumentalisten,  wie z.B. Prof. Franz Haselböck, František Pok  und seiner Rosenberger Kapelle  Prag und Mitgliedern der NÖ Tonkünstler, mit denen gemeinsam die KSG immer wieder Konzerte gab und seiner unermüdlichen Suche nach musikalischen Leckerbissen.

Das Ziel war, Werke der europäische Barockmusik und der österreichische  Kirchenmusik, sowie europäische Madrigale und Folklore in größter Qualität so aufzuführen, dass das Erlebnis für  Aufführende und Publikum denkwürdig und unvergesslich war. Und dieses Ziel wurde wohl nach Rückmeldungen zu schließen sehr oft erreicht.

Eine Schallplatte, von der Fa. Columbia für den Fachhandel produziert, mit weltlichen und geistlichen Werken der Renaissance, sowie 12 CDs ermöglichen allen glücklichen Besitzern, die Aufführungen immer wieder nacherleben zu können!

Als besonderes Projekt kann die Aufführung der sog. Kichnu Lieder

des renommierten estnischen Komponisten Veljo Tormis (1930-2017) in estnischer Sprache gelten; Erstaufführung 1978 in Krems, zweite Aufführung 1998 in der Minoritenkirche in Stein im Rahmen von „Stimmen der Völker“ in Anwesenheit des Botschafters von Estland samt Familie.

Nicht nur die Arbeit des Chorleiters sondern auch die aller Sängerinnen und Sänger sowie der Obleute, HR Walter Friedrich, Ing. Serop Czamutzian, Dir. Reinhard Hölzl, Mag. Helga Seitz und HR Anton Rassmann - alle entweder als Lehrer oder Schüler oder über ein Familienmitglied eng mit der Schule verbunden - hat Früchte getragen und das wurde auch bei den großen Chorjubiläen nach 20 Jahren und nach 30 Jahren gebührend gefeiert.

Das Jahr 2000 brachte für den Chorleiter eine gewisse Umstellung.

Mit Pensionsantritt im September 2000 blieben bei Prof. Raschbacher zwei Lieblingsbeschäftigungen aufrecht. Er widmete sich weiterhin dem Sprachstudium in Wien, und in den Sommermonaten auch in Prag und in Mailand, aber vor allem der Musik. Als Chorleiter seiner Kremser Singgemeinschaft veranstaltete er noch viele schöne Konzerte. Das Abschiedskonzert  der Kremser Singgemeinschaft, die Aufführung der Missa Cellensis ( Mariazeller Messe)  von Joseph Haydn in Imbach im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes am 21. Juni 2009 bleibt wohl allen Besuchern in bester Erinnerung.  Danach traf sich die Kremser Singgemeinschaft nunmehr als kleines Ensemble regelmäßig zum sog. Lustsingen, bei dem jedes Mal einige der rund 80 einstudierten Stücke (davon  ca. 30 Weihnachtslieder) gesungen wurden. Die Weihnachtsfeier im Dezember 2020 war der letzte offizielle Termin; danach gab es natürlich gemeinschaftliches Singen, aber die Coronapandemie hat leider einen weiteren Chorbetrieb bald danach unmöglich gemacht.

Wir alle müssen akzeptieren, dass Menschenwerk an Raum und Zeit gebunden ist, wenn es auch bei gelungenen musikalischen Erlebnissen als weit darüber hinaus empfunden wird, und so musste, nicht zuletzt weil Chorleiter und Chormitglieder miteinander in die Jahre gekommen sind, dieses Projekt nach 48 Jahren am 1. Februar 2023 mit der Auflösung der Kremser Singgemeinschaft (als Verein) zu einem Ende geführt werden. Die Chorchronik und die zahlreichen CDs aber werden für Interessierte die guten Erinnerungen bewahren helfen!

Paul Georg Seitz